Unter den zahlreichen Meisterwerken Michael Jacksons nimmt „They Don’t Care About Us“ (aus dem Album HIStory: Past, Present and Future, Book I von 1995) eine besondere und oft kontrovers diskutierte Stellung ein. Es ist kein typischer Pop-Hit mit eingängiger Liebesbotschaft, sondern ein roher, zutiefst persönlicher und politischer Aufschrei gegen Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Machtmissbrauch. Der Song ist ein intensives Hörerlebnis, das Michael Jacksons Wut und Frustration auf eine Weise kanalisiert, die wenige seiner anderen Werke erreichen.

Die musikalische Architektur der Wut

Musikalisch ist „They Don’t Care About Us“ bemerkenswert düster und aggressiv für einen Michael Jackson Song. Der treibende, repetitive Beat, der an eine marschierende Armee erinnert, ist das Fundament des Stücks. Percussion-Elemente dominieren, oft mit einem fast militärischen Charakter, der die Dringlichkeit und den Kampfeswillen des Themas unterstreicht. Die Melodie ist weniger „poppig“ und mehr als ein rhythmisches Statement angelegt. Dies ist kein Song zum Tanzen im Club, sondern zum Nachdenken und zum Protestieren.

Jacksons Gesang ist hier nicht der geschmeidige Pop-Crooner, den man sonst kennt. Er ist rau, emotional, fast schon gequält. Man hört seine Verzweiflung, seine Wut und seine tiefe Enttäuschung. Die oft wiederholte Phrase „All I wanna say is that they don’t really care about us“ wird zu einem Mantra des Widerstands, das sich tief ins Bewusstsein des Hörers gräbt. Die Chöre, die ihn begleiten, verstärken den Eindruck einer kollektiven Stimme, eines gemeinsamen Aufschreis der Unterdrückten.

Ein lyrisches Manifest gegen Ungerechtigkeit

Der Text ist ein direktes und unmissverständliches Plädoyer gegen verschiedene Formen der Diskriminierung und Ungerechtigkeit. Jackson spricht dabei eine Vielzahl von gesellschaftlichen Problemen an, die ihn persönlich und kollektiv betreffen:

  • Rassismus: Zeilen wie „Skin head, dead head, everybody gone bad“ oder „Jew me, sue me, everybody do me“ prangern rassistische und antisemitische Vorurteile an. Die Verwendung des Wörtchens „Jew me“ führte damals zu heftigen Kontroversen und Vorwürfen des Antisemitismus, die Jackson vehement zurückwies und als Missinterpretation verstand. Er betonte, dass er die Perspektive des Opfers einnehme, um die Beleidigung zu veranschaulichen.
  • Polizeibrutalität und staatliche Unterdrückung: „Beat me, hate me, you can never break me / Will me, thrill me, you can never kill me“ – diese Zeilen sprechen die physische und psychische Gewalt an, der sich marginalisierte Gruppen oft ausgesetzt sehen. Der Song impliziert eine Ohnmacht gegenüber staatlicher Macht, die sich nicht um das Wohlergehen der Bürger schert.
  • Soziale Ungleichheit: Die wiederholte Phrase „They don’t really care about us“ richtet sich an eine namenlose, aber mächtige „Elite“, die sich von den Problemen der „einfachen Leute“ abwendet. Es ist ein Ausdruck des Gefühls, vergessen, übersehen und als unwichtig abgetan zu werden.
  • Persönliche Erfahrungen: Der Song kann auch als ein Ausdruck von Jacksons eigenen Erfahrungen mit den Medien und der Öffentlichkeit interpretiert werden. Zu der Zeit, als „HIStory“ entstand, stand Jackson unter immensem Druck und sah sich ständigen Anschuldigungen und Verleumdungen ausgesetzt. Der Text spiegelt seine Frustration über die Ungerechtigkeit wider, die er empfand.

Die ikonischen Musikvideos: Gewalt und Glaube

„They Don’t Care About Us“ wurde von zwei eindringlichen Musikvideos begleitet, die die Botschaft des Songs noch verstärkten:

  • Das brasilianische Video (Favela-Version): Gedreht in den Favelas von Rio de Janeiro (Dona Marta) unter der Regie von Spike Lee, zeigt dieses Video Jackson inmitten der Bewohner. Es ist ein kraftvolles Statement der Solidarität mit den Marginalisierten und Unterdrückten. Die Szenen der Armut, der Polizeipräsenz und der Menschenmassen, die Jackson umjubeln, verdeutlichen die soziale Ungleichheit und den kollektiven Widerstand. Es ist eine Ode an die Kraft der Menschen.
  • Das Gefängnis-Video: Die zweite Version, ebenfalls unter der Regie von Spike Lee, zeigt Jackson als Häftling in einem Gefängnis. Hier wird die Thematik der Unterdrückung und der staatlichen Gewalt noch expliziter dargestellt. Die drastischen Bilder von Schlägereien, Zwangsjacken und Rassismus waren hochgradig provokant und zielten darauf ab, die Zuschauer zu schockieren und zum Nachdenken anzuregen.

Ein unbequemer, aber notwendiger Kommentar

„They Don’t Care About Us“ ist ein Song, der unbequem ist und polarisiert. Er ist ein wütender Aufschrei gegen die Ignoranz der Mächtigen und die Ungerechtigkeit, die viele Menschen erleben. Musikalisch und textlich weicht er deutlich von vielen anderen Michael Jackson Hits ab, was ihn zu einem wichtigen, wenn auch oft missverstandenen Teil seines Werkes macht. Er zeigt einen Michael Jackson, der sich nicht scheute, seine Plattform zu nutzen, um auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen, und der bereit war, dafür auch Kontroversen in Kauf zu nehmen. Es ist ein zeitloser Kommentar zur menschlichen Verfassung und ein Aufruf zur Empathie in einer oft gleichgültigen Welt.