Die Popmusik, ein schillerndes Kaleidoskop menschlicher Emotionen, kennt viele Spielarten. Doch in ihren dunkleren Ecken und ihren sonnenverbrannten Partyhochburgen tummeln sich Subgenres, die eine ganz eigene Spezies von Anhängern magisch anziehen. Sprechen wir über die Meister der überzogenen Theatralik mit Hang zum permanenten Weltschmerz und die ungenierten Protagonisten der eskalativen Feierlaune am Ballermann.

Nehmen wir als Paradebeispiel jene Künstler, deren Bühnenpräsenz einer spätgotischen Kathedrale gleicht, deren Gesang von existenziellem Leid durchdrungen ist und deren Texte sich bevorzugt um den Untergang der Welt, die eigene Zerbrechlichkeit oder das tiefe, tiefe Dunkel in der Seele drehen. Man könnte fast meinen, hier wird nicht Musik gemacht, sondern ein wöchentliches therapeutisches Gruppentreffen mit angeschlossener Dramaqueen-Convention abgehalten. Und das Erstaunliche: Es zieht! Menschen strömen in Scharen, um sich in diesem inszenierten Elend zu suhlen, um sich in den überbordenden Metaphern des Leids wiederzufinden. Die Musik wird hier nicht zur Katharsis, zur Lösung, sondern eher zum wohligen Lagerfeuer, an dem man gemeinsam die eigenen theatralischen Probleme wärmt und genüsslich darin stochert. Ein bisschen wie der Freund, der sich pausenlos über sein Unglück beklagt, ohne je eine Lösung in Erwägung zu ziehen – nur in musikalischer und eben: theatralischer Form.

Ganz anders, aber nicht minder speziell, präsentiert sich die Parallelwelt des Ballermann-Partyschlagers. Hier wird das Leid konsequent ausgeblendet, die Komplexität des menschlichen Daseins auf die simple Formel „Saufen, Feiern, Eskalieren“ reduziert. Die Texte? Oftmals so tiefgründig wie eine Pfütze nach dem ersten Sommerregen, nicht selten garniert mit Inhalten, die man bestenfalls als „grenzwertig“ bezeichnen könnte. Doch auch hier gilt: Es funktioniert! Schlichte Gemüter finden hier ihre Hymnen, die Melodien sind so eingängig, dass sie sich hartnäckiger im Gehörgang festsetzen als Sand in der Badehose. Hier wird nicht nachgedacht, hier wird gefeiert – koste es die intellektuelle Ehre, was sie wolle.

Man könnte nun geneigt sein, die Nase über diese beiden Extreme der Popmusik zu rümpfen. Doch wer sind wir, über den musikalischen Geschmack anderer zu urteilen? Vielleicht ist der theatralische Weltschmerz-Pop für manche tatsächlich ein Ventil, ein Ort der Identifikation im eigenen Drama. Und vielleicht ist der Ballermann-Schlager für andere einfach nur der Soundtrack zur kurzweiligen Eskapismus-Orgie im Urlaub.

Die Ironie der Sache liegt vielleicht darin, dass beide Genres auf ihre Weise eine Form der Übertreibung kultivieren. Die einen inszenieren das Leid bis zur Karikatur, die anderen die Freude bis zur Albernheit. Und beide finden ihr Publikum, das sich in diesen überzeichneten Welten auf ihre ganz eigene Weise wiederfindet. So gesehen ist die Popmusik eben doch ein faszinierendes Biotop – auch wenn in einigen ihrer Ecken die Melancholie etwas zu dick aufgetragen wird und in anderen die Promille-Grenze musikalisch hörbar überschritten wird. Aber hey, wer sind wir schon, den Soundtrack des Lebens anderer zu kritisieren? Solange die Boxen dröhnen und die Emotionen – egal ob Tränen oder Sangria-Laune – fließen, hat die Popmusik wohl irgendwie ihren Zweck erfüllt.