Man kennt es aus Märchenfilmen: Die zarte Prinzessin, konfrontiert mit einer unerwarteten oder unliebsamen Situation, gleitet elegant in Ohnmacht. Eine scheinbar bizarre Reaktion, die in der Welt der Fiktion oft dazu dient, sie aus der Verantwortung zu nehmen und anderen die Problemlösung zu überlassen. Doch auch abseits von Märchenschlössern lässt sich ein ähnliches, wenn auch weniger dramatisches Phänomen beobachten, das tief in der menschlichen Psyche verwurzelt ist: die Strategie der „Prinzessin in Ohnmacht“.

Diese Metapher beschreibt ein Verhaltensmuster, bei dem Menschen (unbewusst oder bewusst) Überforderung simulieren oder verstärken, um einer unliebsamen Situation, Verantwortung oder Kritik zu entgehen. Besonders auffällig kann dies bei manchen Unternehmerinnen oder Führungskräften werden, die sich mit technischen oder juristischen Herausforderungen konfrontiert sehen.

Die Dynamik der scheinbaren Überforderung

Betrachten wir die Parallelen:

  1. Der Auslöser: Unerwünschte Konfrontation. Wie die Märchenprinzessin mit einem Drachen oder einer unbequemen Entscheidung konfrontiert wird, so stehen Unternehmerinnen oft vor komplexen Problemen: eine undurchsichtige Datenschutzverordnung, ein technischer Fehler, der den Workflow lahmlegt, oder ein rechtlicher Fallstrick, der finanzielle Risiken birgt. Dies sind oft Bereiche, in denen sie sich unsicher fühlen oder die sie als „nicht ihr Metier“ betrachten.
  2. Die Reaktion: Flucht in die Hilflosigkeit. Anstatt sich der Erklärung oder Lösungsfindung zuzuwenden, beobachten wir ein spezifisches Muster:
    • Ständiges Ins-Wort-Fallen: Dies dient oft dazu, die Aufnahme weiterer, als überfordernd empfundener Informationen zu blockieren. Es ist eine Abwehrhaltung, um das Gespräch zu unterbrechen, bevor es zu tief ins Detail geht.
    • Mangelndes Zuhören: Die eigentliche Botschaft, die Lösungsvorschläge oder Erklärungen werden nicht aufgenommen. Die Aufmerksamkeit ist nicht auf das Problem, sondern auf die eigene Abneigung gegenüber dem Problem gerichtet.
    • Zunehmende Gereiztheit und Kontrollverlust: Die aufgestaute Frustration über die Konfrontation mit dem Unangenehmen entlädt sich in gereiztem Verhalten. Dies kann bis zum Verlust der Fassung gehen, was die scheinbare Überforderung noch verstärkt.
    • Simulation der „Ohnmacht“: Der Höhepunkt ist erreicht, wenn die Person signalisiert: „Ich kann nicht mehr, ich bin völlig überfordert, ich verstehe das nicht.“ Dies ist die moderne Version der Ohnmacht, die den Zweck erfüllt, mit dem Problem in Ruhe gelassen zu werden.
  3. Das vermeintliche Kalkül: Ruhe vor der Verantwortung. Wie die Prinzessin, die nach der Ohnmacht in einem sicheren Bett aufwacht, hofft die überforderte Person, dass das Problem von anderen gelöst wird oder zumindest vorerst vom Tisch ist. Die dahinterstehende Psychologie ist komplex:
    • Vermeidung von Verantwortung: Wer überfordert ist, kann nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
    • Vermeidung von Kritik: Eine „Ohnmacht“ schützt vor dem Vorwurf der Inkompetenz oder des Versagens.
    • Kontrollverlust als Kontrolle: Paradoxerweise kann das Demonstrieren von Kontrollverlust eine Form der Kontrolle über die Situation sein, indem man andere dazu zwingt, die Initiative zu ergreifen oder aufzugeben.

Die fatalen Konsequenzen in der realen Welt

Anders als im Märchen, wo die Prinzessin oft gerettet wird und das Problem verschwindet, hat diese Strategie im Geschäftsleben und im zwischenmenschlichen Miteinander ernste, negative Konsequenzen:

  1. Das Problem persistiert und eskaliert: Technische und juristische Probleme lösen sich nicht von selbst. Ignoranz und Vermeidung führen dazu, dass kleine Probleme zu großen, teuren oder existenzbedrohenden Krisen anwachsen.
  2. Verlust von Vertrauen und Hilfsbereitschaft: Menschen, die versuchen zu helfen, fühlen sich nicht gehört, werden frustriert und entmutigt. Das „Theater“ der scheinbaren Überforderung führt dazu, dass immer weniger Menschen bereit sind, zukünftig ihre Zeit und Energie in die Unterstützung zu investieren. Die Person wird isoliert und muss die Folgen ihrer ungelösten Probleme letztlich allein tragen.
  3. Fehlende Einsicht in die Tragweite: Die bewusste oder unbewusste Weigerung, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen, verhindert das Erkennen der tatsächlichen Tragweite und der potenziellen Risiken. Entscheidungen werden nicht auf Basis von Fakten, sondern von Emotionen oder Vermeidung getroffen.

Psychologische Einordnung

Dieses Phänomen lässt sich psychologisch als eine Form der Vermeidungsstrategie oder erlernten Hilflosigkeit deuten, verstärkt durch mögliche narzisstische Tendenzen (die Person wünscht sich, dass andere ihre Probleme lösen, ohne sich selbst anstrengen zu müssen) oder schlichtweg durch schlechte Coping-Mechanismen bei Stress. Es ist ein Selbstschutz, der jedoch langfristig selbstzerstörerisch wirkt.

Die „Prinzessin in Ohnmacht“ mag in Märchen charmant wirken. Im realen Leben, insbesondere in der verantwortungsvollen Rolle einer Unternehmerin, ist sie eine Verhaltensweise, die nicht nur dem eigenen Erfolg im Wege steht, sondern auch das Vertrauen und die Unterstützung des Umfelds nachhaltig beschädigt. Das Erkennen und Durchbrechen dieses Musters ist der erste Schritt zu echter Problemlösung und persönlichem Wachstum.