Jeder kommerziell bekannte Internet Star hat einen Wikipedia Artikel. Viele wirklich gute Künstler aber nicht. Auf welchem Niveau bewegen wir uns?

Manchmal, liebe Internetgemeinde, ist das World Wide Web wie eine gigantische, unaufgeräumte WG. Zwischen den wirklich wertvollen Fundstücken stolpert man über allerlei… nun ja… „Interessantes“. Nehmen wir zum Beispiel Wikipedia, das digitale Orakel unserer Zeit. Dort, wo einst akribisch recherchierte Fakten über bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckungen und die Meisterwerke der Kunst versammelt wurden, tummeln sich heute auch Einträge zu Gestalten, bei deren „Arbeit“ man sich fragt, ob man beim Erstellen des Artikels versehentlich den Ironie-Button gedrückt hat.

Es ist schon ein Phänomen: Da gibt es Webvideoproduzenten – nennen wir sie mal liebevoll „digitale Entertainer der unteren Gangart“ –, deren künstlerisches Schaffen sich primär auf das Erzeugen maximaler Empörung durch minimalen intellektuellen Aufwand oder die chronische Zurschaustellung des eigenen, ach so aufregenden Lebens beschränkt. Und siehe da! Ein Wikipedia-Eintrag prangt wie ein Ritterschlag unter ihrem digitalen Banner. Man erfährt alles über ihre „bahnbrechenden“ Beiträge zur Popkultur, ihre „viralen“ Momente (die meist eher einem unappetitlichen Fleck auf dem Bildschirm ähneln) und ihre beeindruckende Followerzahl (deren Zusammensetzung vermutlich eine eigene soziologische Studie wert wäre).

Auf der anderen Seite der digitalen Medaille stehen Künstler, deren Schaffen wahrlich Substanz hat. Musiker, die ihr Handwerk beherrschen, deren Texte zum Nachdenken anregen und deren Bühnenpräsenz eine Aura von echter Kunst verströmt. Doch sucht man ihren Namen auf Wikipedia, herrscht gähnende Leere. Kein Eintrag. Nichts. Man könnte fast meinen, diese fleißigen Geister existieren nur in einer Parallelwelt, in der Qualität mehr zählt als die Fähigkeit, online einen Sturm der Entrüstung zu entfachen oder sich selbst in Dauerschleife zu filmen, wie man Cornflakes isst (mit „epischen“ Filter, versteht sich).

Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer, meine Damen und Herren. Durch diese ungleiche Verteilung der digitalen Lorbeeren entsteht der trügerische Eindruck, die „Arbeit“ dieser hyperaktiven Selbstdarsteller im Netz hätte irgendeinen tieferen Sinn oder gar einen Wert für die Gesellschaft. Aber seien wir mal ehrlich (und erlauben uns ein kleines, ironisches Augenzwinkern): Vieles davon ist doch eher digitaler Staubfänger, ein Produkt der Aufmerksamkeitsökonomie, das so nützlich ist wie ein Regenschirm im Trockenraum. Es ist der Schrei nach dem nächsten Klick, die Jagd nach der viralen Sensation, oft auf Kosten von Niveau und Substanz.

Die traurige Wahrheit ist: Die Masse – und das ist keine elitäre Arroganz, sondern eine nüchterne Beobachtung – tendiert oft zum Einfachen, zum Primitiven. Komplexität strengt an, Tiefgang erfordert Muße. Da ist es natürlich einfacher, sich von einem grellen Aufmerksamkeitsdefizit-Feuerwerk berieseln zu lassen als sich auf die subtilen Nuancen echter Kunst einzulassen.

Also, liebe Freunde der gepflegten Unterhaltung, lassen wir uns nicht von der schieren Existenz eines Wikipedia-Eintrags blenden. Nur weil jemand digital so laut ist, dass die virtuellen Wände wackeln, bedeutet das noch lange nicht, dass seine „Arbeit“ auch nur den Hauch von Bedeutung hat. Manchmal ist die Stille derer, die wirklich etwas zu sagen haben, ohrenbetäubender als das lauteste digitale Geschrei. Und vielleicht, nur vielleicht, sollten wir unsere Zeit lieber damit verbringen, diese leisen Stimmen zu suchen, anstatt uns von dem glitzernden, aber oft leeren Tand der digitalen Selbstdarstellung berieseln zu lassen. Denn am Ende des Tages bleibt Schrott eben Schrott – auch wenn er einen eigenen Wikipedia-Eintrag hat.