Liebe aufstrebende Klangkünstler, ihr brennt für eure Musik, investiert Herzblut und unzählige Stunden in eure Songs. Und dann kommt vielleicht der Moment, in dem euch wohlmeinende Ratschläge erreichen: „Ihr müsst in die Lokalzeitung! Ein Artikel in der ‚Zeitung für [beliebige Provinzstadt einfügen]‘ katapultiert euch in den musikalischen Olymp!“ Nun, liebe Freunde der Töne, es tut mir leid, eure Euphorie an dieser Stelle sanft, aber bestimmt zu dämpfen: Vergesst es!
Es mag verlockend klingen, die eigene Band oder das Soloprojekt prominent in der lokalen Presse präsentiert zu sehen. Das gedruckte Wort hat schließlich immer noch eine gewisse Autorität, und die Vorstellung, dass die Nachbarn, die Tante Erna und der ehemalige Mathelehrer plötzlich auf eure Musik aufmerksam werden, ist durchaus charmant. Doch die Realität sieht leider oft ernüchternd aus.
Die Wahrheit ist, dass die Reichweite und der Einfluss der provinziellen Lokalpresse in Bezug auf den musikalischen Durchbruch junger Talente in den allermeisten Fällen schlichtweg marginal sind. Warum ist das so?
- Begrenzte Zielgruppe: Die Leserschaft der Lokalzeitung ist in der Regel regional begrenzt und besteht nicht primär aus Musikentdeckern, Labelscouts oder einflussreichen Branchenkontakten. Tante Erna mag sich freuen, ihren Neffen in der Zeitung zu sehen, aber sie wird deswegen kaum ein Ticket für sein nächstes Konzert in Hamburg buchen oder seine EP streamen.
- Veränderte Medienlandschaft: Das Internet hat die Art und Weise, wie Menschen Musik entdecken und konsumieren, grundlegend verändert. Streaming-Plattformen, soziale Medien und spezialisierte Online-Musikmagazine haben die traditionellen Medien in Bezug auf musikalische Entdeckungen längst überholt.
- Fokus der Lokalpresse: Die Lokalzeitung konzentriert sich naturgemäß auf lokale Ereignisse, Nachrichten aus der Gemeinde, Vereinsberichte und vielleicht mal ein Porträt eines interessanten Bürgers. Die Vorstellung, dass ein Artikel über eine unbekannte Nachwuchsband hier eine breite musikalische Bewegung auslösen wird, ist schlichtweg unrealistisch.
- Fehlende Relevanz für die Musikindustrie: Entscheidungsträger in der Musikindustrie – Labelchefs, Booker, Festivalveranstalter – werden ihre nächste vielversprechende Band kaum in der „Bocholter Borkener Zeitung“ oder dem „Kreisboten Miesbach“ entdecken. Sie bewegen sich in anderen Sphären, auf Fachmessen, in spezialisierten Online-Medien und in den Hotspots der Musikszene.
Das soll nicht heißen, dass lokale Pressearbeit komplett sinnlos ist. Sie kann durchaus nützlich sein, um lokale Fans zu gewinnen, auf ein Konzert in der Umgebung aufmerksam zu machen oder die lokale Community einzubinden. Aber als Sprungbrett für eine überregionale oder gar internationale Karriere taugt sie in der Regel nicht.
Die Energie und die Zeit, die in die Akquise eines Artikels in der Lokalpresse gesteckt werden, sind oft besser in andere Bereiche investiert:
- Aufbau einer Online-Präsenz: Eine professionelle Website, aktive Social-Media-Kanäle und Präsenz auf relevanten Streaming-Plattformen erreichen potenziell ein viel größeres und gezielteres Publikum.
- Netzwerken in der Musikszene: Der Besuch von Branchenveranstaltungen, der Kontakt zu anderen Musikern, Produzenten und kleinen Labels kann wertvolle Türen öffnen.
- Qualitativ hochwertige Musik und Produktion: Am Ende zählt immer noch die Musik selbst. Investiert in gute Aufnahmen und eine professionelle Präsentation eurer Songs.
- Gezielte Promotion: Konzentriert eure Bemühungen auf Medien und Plattformen, die tatsächlich von eurer Zielgruppe und der Musikindustrie wahrgenommen werden.
Also, liebe jungen Musiker, träumt groß, arbeitet hart und seid klug in eurer Promotion. Ein netter Artikel in der Lokalzeitung ist ein nettes Beiwerk, aber euer Ticket zum musikalischen Erfolg wird woanders gelöst. Vergesst den provinziellen Irrglauben und richtet euren Fokus auf die Bühnen und Kanäle, die wirklich zählen.