Hey, du junge, hungrige Band! Du hast gerade deine erste EP fertig, der Proberaum riecht nach Schweiß und billigem Bier, und ihr seid euch einig: Das ist es! Der nächste Schritt ist natürlich, euch auf einer der unzähligen Musiker-Websites anzumelden, wo man Bands nach Städten filtern kann. Und dann siehst du sie. Die endlose Liste. Dein Blick schweift über Namen wie „Angry Pigeons“, „Sonic Squirrels“ und „The Funkin‘ Donkeys“. Dein Gefühl sagt dir: Hier wählst du nicht zwischen Kaviar und Champagner, sondern zwischen Bratwurst und Bratwurst – nur, dass jede Bratwurst sich für das nächste große Ding hält.

Und da seid ihr mittendrin. Tausende Bands, alle mit dem gleichen Traum: groß rauskommen. Durchstarten. Stadien füllen. Platinalben. Dein Name auf Plakaten, die größer sind als dein Elternhaus. Aber mal ehrlich, wie wahrscheinlich ist das wirklich? Lass uns mal die Romantik beiseitelegen und einen Blick auf die harte, aber auch humorvolle Realität werfen.

Die Statistik des Rockstar-Traums (Spoiler: Sie ist brutal)

Nehmen wir an, du stehst in Leipzig, einer Stadt voller Musik. Du scrollst durch die Bandlisten und denkst: „Das sind doch nur ein paar Hundert.“ Falsch gedacht. In Deutschland gibt es Zehntausende Bands. Weltweit? Millionen. Und jetzt kommt der Realismus-Hammer:

  • Der Flaschenhals ist eng, winzig, praktisch nicht vorhanden. Von all diesen Bands schaffen es vielleicht 0,001 %, überhaupt von einem größeren Label wahrgenommen zu werden. Und von denen, die wahrgenommen werden, schafft es ein Bruchteil, einen Vertrag zu bekommen.
  • Radioplaylists sind ein Haifischbecken. Die Chance, mit deinem Indie-Rock-Brett in die Rotation eines Mainstream-Radiosenders zu kommen, ist geringer, als einen Elch mit einem Einrad fahren zu sehen. Die Plätze sind heiß begehrt und meist für Künstler reserviert, die bereits einen gewaltigen Marketing-Apparat im Rücken haben.
  • „Groß rauskommen“ definiert sich neu. Früher bedeutete das Millionenverkäufe. Heute ist es schon ein riesiger Erfolg, wenn du von deiner Musik leben kannst, ohne noch nebenbei Pizza auszuliefern.

Das soll dich nicht demotivieren, aber es soll dir die Rosabrille abnehmen. Der Traum vom „groß rauskommen“ ist oft so realistisch wie der Traum, vom Blitz getroffen zu werden und dabei einen Lottogewinn zu finden.

Nützliche Hinweise, die über das Bratwurst-Dasein hinausgehen:

Wenn du das jetzt gelesen hast und immer noch Bock hast, dann bist du genau richtig. Denn es gibt Wege, sich vom Bratwurst-Einerlei abzuheben und seine eigene, leckere Gourmet-Wurst zu werden.

  1. Hört auf, Klone zu sein (außer es ist Absicht und brilliant): Ja, du liebst Foo Fighters. Ja, du stehst auf Depeche Mode. Aber wenn eure Musik klingt wie eine B-Seite eurer Idole, warum sollte jemand euch hören? Finde deine eigene Stimme. Experimentiert, mixt Genres, sei schräg, sei anders. Das „Anders“ ist euer größter Aktivposten. Gerade weil viele Szenen so stark definiert sind (Metal, Hardcore, Pop, Schlager – überall gibt es Klone), ist es die Abweichung, die fasziniert. Wenn du in Leipzig nach Elektropop suchst, merkst du schnell: Das ist eine Nische. Nutze sie!
  2. Qualität über Quantität (und über Posen): Das bedeutet nicht nur gute Songs. Das bedeutet guten Sound. Investiert in eine vernünftige Aufnahme. Ein Song, der klingt wie im Toaster aufgenommen, wird nirgendwo landen. Und: Authentizität. Wenn du der Schwiegermutter-Typ bist, wirst du auf der Bühne kein glaubwürdiger Hardrocker. Sei du selbst. Deine Eigenheiten sind interessanter als jede aufgesetzte Coolness.
  3. Netzwerken ist kein schmutziges Wort: Geht auf Konzerte anderer Bands, sprecht Leute an. Nicht nur die Bandmitglieder, sondern auch die Tontechniker, den Clubbesitzer, den Typen am Merch-Stand. Jede Verbindung kann wichtig sein. Es geht nicht darum, sich einzuschleimen, sondern darum, echte Kontakte zu knüpfen und Teil der Szene zu werden.
  4. Denkt über den Tellerrand (und die Stadtgrenze): Ja, es gibt lokale Listen. Aber die Welt ist größer als Leipzig. Schaut, welche Blogs, Radiosender (Online-Radios!), Magazine oder Playlister (ja, die von Spotify & Co.) zu eurem Sound passen – und zwar international! Zielgruppe sind nicht nur die 500 Leute im nächsten Club. Wenn ihr international klingen wollt, müsst ihr auch international denken.
  5. Performance ist alles: Ihr habt vielleicht die besten Songs der Welt, aber wenn ihr auf der Bühne steht wie drei traurige Brote, wird das niemanden mitreißen. Übt eure Bühnenpräsenz. Seid energetisch, seid nahbar, seid unvergesslich. Ein Live-Erlebnis muss ein Erlebnis sein, nicht nur ein Abspielen von Songs.
  6. Seid eure eigene PR-Agentur: Keiner kümmert sich am Anfang so um eure Musik wie ihr selbst. Lernt die Basics von Social Media, Pressemitteilungen und E-Mail-Marketing. Schickt eure Musik gezielt an passende Kontakte. Seid hartnäckig, aber nicht nervig.
  7. Definiert „Erfolg“ für euch selbst neu: Vielleicht ist „groß rauskommen“ für euch, genug Geld zu verdienen, um die Miete zu zahlen und ein neues Instrument zu kaufen. Oder ein ausverkauftes Konzert in der Lieblingskneipe. Oder 10.000 monatliche Hörer auf Spotify. Feiert diese kleinen Erfolge. Sie sind realer und erreichbarer als der Traum vom Stadion.

Die Musikindustrie ist ein gnadenloses Geschäft. Aber sie ist auch voller Leidenschaft und unglaublichen Momenten. Wenn ihr bereit seid, hart zu arbeiten, euch ständig weiterzuentwickeln und dabei die Realität nicht aus den Augen zu verlieren, dann ist der Weg vielleicht nicht immer der gerade, aber er kann unglaublich erfüllend sein. Und wer weiß, vielleicht wird deine Bratwurst ja doch noch zum Gourmet-Menü.

Was ist dein „kleiner“ Erfolg, den du in der Musik erreichen möchtest?