Du stehst mit deiner Band im Proberaum, die Amps brüllen, die Drums donnern, und der Bass lässt deine Eingeweide vibrieren. Ihr habt den Sound, ihr habt die Attitüde, und ihr seid bereit, die Welt zu erobern. Doch bevor ihr die Bühnen stürmt und die Charts zerlegt, gibt’s da eine kleine, aber feine Weisheit, die dir wahrscheinlich niemand ins Gesicht sagen wird: Dein Job ist es, Musik zu machen. Nicht Politik.
Klar, das klingt vielleicht erstmal komisch. Wie, als Musiker keine Haltung haben? Darf man nicht für seine Überzeugungen einstehen? Doch, natürlich darfst du. Aber stell dir mal vor, du bist Bundeskanzler, und fängst an, die Charts auszuwerten und öffentlich zu philosophieren, ob dieser oder jener Song jetzt künstlerisch wertvoll ist. Das klingt schon schräg, bevor man den Satz überhaupt zu Ende gesprochen hat, oder? Eben. Und genauso schräg kann es wirken, wenn du als Band deine musikalische Bühne zur politischen Seifenblase machst, in der es nur noch um festgemeißelte Standpunkte geht.
Dein Instrument ist deine Waffe, nicht dein Parteiprogramm
Versteh mich nicht falsch: Kunst war schon immer ein Medium für Botschaften. Und ja, viele der größten Bands hatten und haben eine Haltung. Aber es gibt einen feinen Unterschied zwischen einer Haltung, die sich organisch in die Kunst einfügt, und einem Missionierungsversuch, der potenziellen Fans auf den Wecker geht.
Die bittere Wahrheit ist: Als Newcomer kämpfst du um jede Seele, die deinen Sound geil findet. Jedes Ohr, das lauscht. Jedes Tanzbein, das zuckt. Und wenn du gleich zu Beginn mit der Tür ins Haus fällst und deine Band zur politischen Kampfzone erklärst, riskierst du, genau die Leute zu verprellen, die deine Musik lieben könnten.
- Der Sound kommt zuerst: Leute kommen zu Konzerten, um den Kopf zu schütteln, zu tanzen, sich treiben zu lassen. Sie wollen Emotionen, Energie, Melodien, die sich festbeißen. Dein Sound muss überzeugen, bevor deine Botschaft überhaupt eine Chance hat, gehört zu werden. Wenn du musikalisch nicht lieferst, interessiert sich auch keiner für dein politisches Statement.
- Kein Wahlkampf, sondern Konzert: Stell dir vor, du stehst auf der Bühne und fängst an, minutenlang über die Verteilung der Weltmeere zu philosophieren oder die Vorzüge einer bestimmten Wirtschaftsform zu preisen. Deine Fans? Die zücken schon die Handys, aber nicht zum Filmen deines epischen Solos, sondern um zu checken, wann die nächste Bahn fährt. Dein Publikum will eine Show, keine Parteiversammlung.
- Grauzonen sind sexy: Die Welt ist selten Schwarz und Weiß, und das ist auch gut so. Wenn du als Musiker nur festgemeißelte Standpunkte vertrittst, wirkst du oft dogmatisch und unnahbar. Menschen sind komplexe Wesen mit unterschiedlichen Ansichten. Wenn du zu polarisierend bist, schneidest du dich selbst vom Großteil des Publikums ab, das vielleicht mit deiner Musik, aber nicht mit jedem deiner ideologischen Punkte einverstanden ist.
Authentizität ist keine Einbahnstraße
Das heißt nicht, dass du keine Meinung haben darfst. Es heißt nur, dass deine Meinung nicht der einzige Grund sein sollte, warum Leute deine Musik hören. Wenn du deine Ansichten durch deine Texte oder durch subtile Andeutungen in deiner Performance einfließen lässt – super! Das ist Kunst. Aber wenn du jeden Social-Media-Post zur politischen Debatte machst und jede Interviewsituation zur Parteitagsrede, dann bist du eher ein Aktivist mit Instrument als ein Musiker, der die Massen bewegt.
Sei ein Musiker. Lass deine Songs sprechen. Lass die Energie auf der Bühne das Publikum mitreißen. Deine Authentizität sollte in deiner Musik liegen, in deiner Leidenschaft für das, was du tust, nicht in der Vehemenz deiner politischen Position. Denn am Ende des Tages wollen die Fans dich für deine Sounds, deine Melodien und die pure, unverfälschte Power, die du auf die Bühne bringst. Und nicht dafür, dass du der nächste Bundesminister für Chartanalyse wirst.
Was denkst du, ist es heute noch möglich, Musik „einfach nur“ Musik sein zu lassen?