Es ist ein Phänomen, das sich mit schöner Regelmäßigkeit wiederholt und das viele von uns mit einer Mischung aus Kopfschütteln und Resignation beobachten: Städte und Regionen investieren massiv in Infrastrukturen wie Coworking Spaces und „Begegnungsstätten“, obwohl die Grundprobleme, die solche Einrichtungen lösen sollen, oft woanders liegen. Das Ergebnis ist frappierend uniform: Coworking, Café, sozialer Treff, Eventlocation. Das alles wirkt manchmal wie eine teure „Beschäftigungstherapie“ für Städte und Kommunen, die kaum etwas wirklich Produktives hervorbringt und oft mit viel Steuergeld gefördert wird.
Die Frage ist berechtigt: Wenn die Fallstricke und das eigentlich Notwendige doch so bekannt sind – warum wird es trotzdem immer wieder falsch gemacht?
Der Reiz der „modernen“ Lösung
Der Hauptgrund liegt oft in einer Mischung aus Politik, Imagepflege und einem tiefsitzenden Missverständnis über echte Wertschöpfung.
- Das „Leuchtturmprojekt“-Denken: Für Stadtverwaltungen und lokale Politiker sind Coworking Spaces und modernisierte Begegnungsstätten sichtbare „Leuchtturmprojekte“. Sie signalisieren Fortschritt, Innovation und den Anschluss an die „Startup-Welt“. Es sieht gut aus in der Presse und vermittelt den Eindruck, dass man aktiv ist und die lokale Wirtschaft fördert.
- Die „Cargo-Kult“-Mentalität: Man beobachtet, dass in Metropolen wie Berlin oder München Startups in Coworking Spaces gedeihen. Der Trugschluss ist dann: Wenn wir die gleiche Infrastruktur bauen, werden bei uns auch Startups und Innovationen entstehen. Es ist eine Art „Cargo-Kult“: Man kopiert die äußere Form, ohne die zugrunde liegende Dynamik und die komplexen Ökosysteme zu verstehen, die echten Erfolg ausmachen.
- Fehlendes Verständnis für Unternehmertum: Viele Entscheidungsträger in Verwaltungen haben selbst keine eigene unternehmerische Erfahrung. Sie verstehen nicht, dass ein echtes Unternehmen primär Kunden, Aufträge, Kapital und eine klare Strategie braucht – und weniger einen schicken Schreibtisch oder eine Kaffeemaschine im Coworking Space.
- Die Verwechslung von Aktivität und Produktivität: Das monatelange Debattieren über die Umgestaltung einer alten Fabrik, das Planen von Eröffnungsfeiern und das Verwalten der neuen Räumlichkeiten wird als „produktive Arbeit“ wahrgenommen. Doch es ist oft nur Aktivität, die wenig zur eigentlichen Wertschöpfung in der Region beiträgt.
- Das Bedürfnis nach „Soft Factors“: Es gibt die Annahme, dass junge Talente und kreative Köpfe nur in attraktiven, urbanen Umfeldern bleiben oder angesiedelt werden können. Coworking Spaces und soziale Treffpunkte sollen diese „weichen Faktoren“ schaffen, um die Stadt attraktiver zu machen. Doch oft sind es harte Faktoren wie schnelles Internet, erschwingliche Mieten, qualifizierte Arbeitskräfte und eine liberale Bürokratie, die wirklich zählen.
Wenn der Steuerzahler die Rechnung zahlt
Das Problem ist nicht das Konzept von Coworking an sich – für bestimmte Zwecke und an bestimmten Orten können diese Zentren durchaus sinnvoll sein. Das Problem ist die blinde Anwendung eines Modells ohne kritische Analyse des lokalen Bedarfs und der realen Hebel für Wirtschaftswachstum.
Die Folgen sind offenkundig:
- Verschwendung von Steuergeldern: Teure Umbauten und laufende Kosten, die oft in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen stehen.
- Ablenkung von echten Problemen: Die Energie fließt in Prestigeprojekte, während drängendere Herausforderungen für Unternehmen (z.B. Fachkräftemangel, Genehmigungsverfahren, Breitbandausbau) ignoriert werden.
- Scheinlösungen für tiefe Defizite: Ein Coworking Space allein schafft keine Innovatoren, wenn es an Risikokapital, unternehmerischer Kultur oder relevanten Netzwerken fehlt.
Der Ruf nach Pragmatismus
Die Antwort auf die Frage, warum es immer wieder falsch gemacht wird, liegt in einer Art kollektiven „Prinzip der digitalen Ohnmacht“ auf kommunaler Ebene. Man ist von der vermeintlichen Notwendigkeit der Digitalisierung und der „Modernisierung“ so überzeugt, dass man die einfache, pragmatische Lösung übersieht oder als „nicht innovativ genug“ abtut.
Die wirklichen Treiber für Wirtschaftswachstum und erfolgreiche Unternehmertätigkeit sind oft unglamourös: ein effizientes Gewerbeamt, verlässliche Infrastruktur, eine gut ausgebildete Bevölkerung, die Bereitschaft, Wagnisse einzugehen und nicht zuletzt eine Kultur, die sich nicht von Hochglanzbroschüren blenden lässt, sondern den Fokus auf echte, produktive Arbeit legt.
Solange der Glaube an die „magische Pille“ des Coworking-Konzepts stärker ist als die Einsicht in die unternehmerische Realität, werden wohl weiterhin Steuergelder in „Begegnungsstätten“ fließen, die am Ende leider doch nichts wirklich Produktives beherbergen.