Ach, die romantische Vorstellung des 22-jährigen Fastfood-Enthusiasten im gemütlichen Schlabberlook, der in der dunklen Enge seines ehemaligen Kinderzimmers hockt und von dort aus die Welt mit seinen digitalen Ergüssen beglückt! Ein Bild, das uns die „Authentizität“ und „Bodenständigkeit“ dieser neuen Generation von Webvideoproduzenten so herrlich vor Augen führt. Man möchte ihm fast ein ungesundes, fettglänzendes Stück Pizza unter die Tür schieben und ihm für seine Mühen anerkennend auf die ungewaschene Schulter klopfen.

Doch, oh, welch unerwartete Wendung in unserer kleinen digitalen Seifenoper! Kratzt man nur ein wenig an der Oberfläche dieser vermeintlichen Underdog-Romantik, so tut sich ein Abgrund an Komplexität auf, der selbst gestandene Verschwörungstheoretiker vor Neid erblassen lässt. Hinter dem sympathisch-chaotischen Äußeren des jungen Wilden, der uns in seinen Videos so ungefiltert und „echt“ erscheint, verbirgt sich nämlich oft ein Firmengeflecht, das so verzweigt ist wie der Stammbaum einer europäischen Adelsfamilie. Beteiligungen hier, Tochtergesellschaften da – ein wahres Imperium, aufgebaut auf den Ergüssen eines Mannes, dessen höchste kulinarische Ambition scheinbar darin besteht, die nächste Burgerbude zu finden.

Und das alles wegen eines – nun ja – „Nerds“, dessen soziale Interaktion sich primär auf das Kommentieren seiner eigenen Videos zu beschränken scheint und dessen Manieren möglicherweise noch Optimierungspotenzial haben. Erstaunlich, oder? Da sitzt er, der Meister des unrasierten Kinns und der grammatikalischen Grenzgänge, und lenkt im Hintergrund ein wirtschaftliches Konstrukt, das so komplex ist, dass selbst Steuerberater feuchte Hände bekommen.

Man fragt sich unweigerlich: Wie zur Hölle ist das passiert? Hat er seine Follower mit hypnotischen Pixeln in den Bann gezogen? Verbirgt sich unter seinem zerknitterten Hoodie ein Wirtschaftsguru im Tarnmodus? Oder ist es einfach die schiere, unaufhaltsame Kraft des Internets, die aus einem unbeholfenen Jüngling einen digitalen Monarchen macht?

Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen genialem Selbstmarketing (oder dem genialen Marketingteam im Hintergrund, das den „authentischen“ Look so perfekt inszeniert), dem unstillbaren Hunger des Internets nach immer neuem Content und vielleicht auch einer Prise glücklichen Zufalls.

Es ist schon ironisch: Da predigen uns diese digitalen Gurus die Einfachheit und Unmittelbarkeit des Internets, während hinter ihren „spontanen“ Videos ein Organisationsgrad herrscht, der dem einer mittelständischen Industrieanlage Konkurrenz macht. Aber hey, wer sind wir, die Illusion zu zerstören? Solange der Content fließt und die Klickzahlen stimmen, ist die wundersame Metamorphose des Schlafzimmer-Nerds zum Medienmogul eben eine Erfolgsgeschichte – auch wenn sie mitunter ein paar humorvolle Fragen aufwirft. Und wer weiß, vielleicht ist die nächste große Innovation ja wirklich die perfekt inszenierte Unperfektheit. Man muss es ihnen lassen: Sie verstehen ihr Handwerk – oder zumindest die Kunst, so zu tun als ob.